Leinenführigkeit Teil V:
Leinentraining mit ziehenden Hunden
In diesem Artikel geht es darum, einem Junghund oder einem erwachsenen Hund beizubringen, entspannt an der Leine zu gehen – gerade dann, wenn der Vierbeiner das Ziehen bereits „erlernt“ hat.
Ihr Hund achtet beim „Spaziergang“ überhaupt nicht auf Sie, sondern zieht Sie rücksichtslos an der Leine dorthin, wohin er möchte? Haben Sie bereits Schmerzen in der Schulter, vielleicht sogar ein HWS-Syndrom?
Vermutlich wissen Sie beide – Sie und Ihr Vierbeiner – überhaupt nicht mehr, wie schön ein gemeinsamer Spaziergang eigentlich sein kann. Im Gegenteil: Sie sind beide (!) genervt und gestresst, und Sie als Mensch sind einfach nur froh, wenn Sie wieder zu Hause sind und sich erholen können.
Die gute Nachricht: Auch Ihr ziehender Hund kann lernen, entspannt an lockerer Leine mit Ihnen gemeinsam die Welt zu erkunden.
Schritt 1: Weg von der Action – hin zur Ruhe
Wichtige Tipps vorab:
- Stellen Sie keine, wirklich gar keine Erwartungen an Ihren Hund!
- Sie geben keine Kommandos, keine Anweisungen!
- Sie geben ihm (vorerst) keine Belohnungen!
- Bleiben Sie gelassen und entspannt. Werden Sie nicht laut oder ungeduldig. Wenn bei Ihrem Hund aufgrund Ihrer „miesen Stimmung“ Frust oder Stress entsteht, kann er nicht lernen. Heißt im Umkehrschluss: Wenn Sie gereizt sind, sich über irgendetwas oder jemanden ärgern – verzichten Sie auf das Training!
Suchen Sie für das Training einen Ort auf, wo Ihre Fellnase durch nichts abgelenkt wird. Keine Hunde, keine Jogger, keine Radfahrer, nichts. Fahren Sie mit ihm beispielsweise zu einem brachliegenden Feld in der Nähe.
Legen Sie Ihrem Hund ein Brustgeschirr um und befestigen Sie eine Leine mit drei Metern Länge daran. Und nun machen Sie erst einmal eine Pause. Bleiben Sie direkt nach dem Anleinen stehen, lassen Sie die Leine locker. Will Ihr Hund davonpreschen, greifen Sie den mittleren Geschirrriemen und holen ihn wie ein Gepäckstück zu sich heran. Machen Sie das so lange, bis er das „Spiel“ blöd findet und bei Ihnen bleibt.
Nun gehen Sie in aller Seelenruhe ein paar Schritte. Aber nicht so, als wollten Sie irgendwohin, sondern so, als würden Sie an der Haltestelle auf den Bus warten und dabei langsam auf und ab gehen. Bringt Ihr Hund die Leine auch nur annähernd auf Zug – und das geht schnell! –, drehen Sie sich um und schauen Sie in die entgegengesetzte Richtung.
Ihr Hund erhält keine Belohnung, keine Anweisung – nur Ihre Reaktion! Irgendwann kommt er zu Ihnen. Ratlos, weil er nicht weiß, was er tun soll. Beginnen Sie von vorn.
Geht er langsam, gehen Sie langsam mit. Zieht er, bleiben Sie stehen und drehen Sie sich um. Das war’s.
Was bringt diese Übung?
Ihr Hund lernt, dass das langsame Gehen beim Spaziergang durchaus eine angenehme Alternative zum Ziehen darstellt. Für ihn – und vermutlich auch für Sie – ist das völlig ungewohnt.
Widmen Sie dieser Übung einen so großen Zeitraum wie nötig, geben Sie nicht schon nach drei Tagen auf! Wenn Sie ausschließlich auf diese Weise mit Ihrem Vierbeiner arbeiten, fällt der Gassi-Stress langsam, aber spürbar von ihm ab. Gehen Sie ausschließlich auf diese Weise mit ihm spazieren. Keine Ausnahmen, kein erneutes Ziehen – dann fangen Sie nämlich wieder von vorn an.
Langweilt sich der Vierbeiner nicht bei dieser Übung?
Nein. Im Gegenteil: Nach ungefähr einer halben Stunde wird der Vierbeiner völlig k.o. sein. So hat er den Spaziergang vorher noch nie erlebt. Und er muss nachdenken. Viel und ständig. Sie werden nach etwa dreißig Minuten bemerken, dass er müde wird und dadurch entspannter. Jetzt ist es Zeit, ihn zu belohnen – und dann ab nach Hause!
Schritt 2: Bitte nicht aufregen – Ruhe trotz Trigger
Klappt das entspannte Gehen an der Leine ohne Ablenkung? Wunderbar, dann können Sie mit Ihrem Hund die nächste Herausforderung angehen.
Auch hier gilt: Bleiben Sie entspannt! Das Training soll Spaß machen, keinen Stress verursachen. Den hatten Sie und Ihr ziehender Vierbeiner vorher mehr als ausreichend.
Hunde werden angesichts bestimmter Trigger bzw. Reize schnell sehr aufgeregt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Aufregung positiver (Freude, überschäumendes Glück) oder negativer (Angst, Nervosität, geweckter Jagdinstinkt und ähnliches) Natur ist. Er will hin: zum besten Kumpel, zur geliebten Nachbarin, zur nervigen Katze – und zwar jetzt und sofort! Oder er will weg, je nachdem. Und dafür legt er sich garantiert ganz schön ins Zeug bzw. in die Leine.
Rien ne va plus = Nichts geht mehr! Bleiben Sie stehen und wenden Sie sich vom Reiz ab. Auch wenn Ihr Vierbeiner hinter Ihrem Rücken noch so zieht, bellt, jauelt, springt und zerrt – bleiben Sie hochkonzentriert bei Ihrem nonverbalen NEIN! Ein hilfreicher Trick dabei ist, im Geiste etwas zu zählen, was gerade da ist: Grashalme, Gänseblümchen, Steinchen… Irgendwann wird Ihr Hund merken, dass seine Show überhaupt nichts bringt. Er bekommt weder Ihre Aufmerksamkeit, noch geht es weiter. Er wird sich Ihnen zuwenden und Ihre Nähe suchen. Ziel erreicht – belohnen Sie ihn in genau diesem Moment!
Was bringt diese Übung?
Wenden Sie diese Übung immer dann an, wenn Ihr Hund auf einen Reiz reagiert. Verzichten Sie auf das bisherige Wegzerren vom Trigger, und bauen Sie Ihrerseits keine Spannung auf. So lernt Ihr Vierbeiner schon nach kurzer Zeit, dass sein ganzes Trara ihm überhaupt nichts bringt – nicht einmal Ihre Aufmerksamkeit, denn Sie sind in der Zeit ja damit beschäftigt, Steinchen zu zählen.
Stattdessen wird Ihr Hund dazu übergehen, sich an Ihnen zu orientieren und Ihre Reaktion abzuwarten, sobald sich ein Trigger bzw. Reiz zeigt. Genau das wollten Sie erreichen. Und daher ist die punktgenaue Belohnung so wichtig!
Wir hoffen, euch hat unser Blogartikel gefallen! Bei Ideen, Anregungen oder Korrekturwünschen bitten wir um einen Kommentar 🙂
Euer 4Pfoten-Urlaub-Team