Leinenführigkeit: Leinentraining für ängstliche und unsichere Hunde
Haben Sie einen unsicheren oder ängstlichen Hund, der bisher noch keine Erfahrungen mit der Leine machen konnte? Vielen Hunden aus dem Tierschutz geht es so. Sie haben bisher in privaten oder öffentlichen Sheltern gelebt und konnten dort nur wenig bis gar nichts lernen. Wie schön wäre es, wenn Sie mit Ihrem kleinen Angsthasen in naher Zukunft entspannte Spaziergänge an der Leine unternehmen könnten! Wir beschreiben Ihnen, wie Sie ihm vermitteln, dass die Leine nichts Schlimmes ist und er bei Ihnen – an der Leine – in Sicherheit ist.
Doppelte Sicherung – bitte niemals unterschätzen!
Der größte Teil der Tierschutzvereine, die ihre Schützlinge in ein schönes Zuhause oder auch auf eine Pflegestelle vermitteln, bittet inständig darum, die Hunde in der ersten Zeit in fremder Umgebung Zeit doppelt zu sichern. Vor allem, wenn es sich um Angsthunde handelt.
Wäre es nicht so traurig, wäre es schon fast beeindruckend, wie schnell sich ein Hund aus einem „normalen“ Geschirr winden und die Flucht ergreifen kann. Bitte unterschätzen Sie nicht die Kraft eines Hundes, der sich bockend gegen Halsband / Geschirr und Leine wehrt – aus welchen Gründen auch immer.
Die doppelte Sicherung kurz erklärt:
Sie besteht aus mehreren Komponenten:
- Halsband und Sicherheitsgeschirr: Der Hund trägt sowohl ein Halsband als auch ein Sicherheitsgeschirr gleichzeitig. Das Halsband dient zur Befestigung einer zusätzlichen Leine, falls eine Leine oder ein Karabiner am Geschirr versehentlich aufgeht oder bricht. Und natürlich zur Führung Ihres Hundes. Das Sicherheitsgeschirr ist das Mittel zur Sicherheit und sollte sehr gut sitzen, um den Hund zuverlässig am gesamten Körper zu halten. Es ist wichtig sicherzustellen, dass das Halsband nicht zu eng ist, um Verletzungen zu vermeiden, falls der Hund an der Leine zieht.
- Zwei Leinen: Anstatt mit nur einer Leine, wird der Hund mit zwei Leinen gleichzeitig gesichert. Eine Leine wird am Halsband und die andere am Sicherheitsgeschirr befestigt. Die beiden Leinen sollten nicht zu lang sein, um die Kontrolle über den Hund zu gewährleisten, aber auch nicht zu kurz, um dem Hund ausreichend Bewegungsfreiheit zu geben.
- Bauchgurt: Ein Bauchgurt ist ein spezielles Zubehör, das Sie um Ihre Taille oder Hüften tragen. An diesem Bauchgurt wird die Leine befestigt, die vom Sicherheitsgeschirr ausgeht. Die Leine am Halsband halten Sie in der Hand, sie dient der Führung Ihres Vierbeiners.
Mit dieser doppelten Sicherung haben Sie eine zusätzliche Sicherheitsebene für den Hund, besonders in Situationen, in denen er ängstlich oder unsicher reagieren könnte. Die doppelte Sicherung kann Ihnen helfen, den Hund besser zu kontrollieren und das Risiko von unerwarteten Ausbrüchen oder unvorhersehbarem Verhalten zu minimieren.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Methode nur dann wirksam ist, wenn Sie den Hund sorgfältig und liebevoll auf das Tragen der doppelten Sicherung vorbereiten und ihn langsam daran gewöhnen. Ein erfahrener Hundetrainer kann Ihnen dabei helfen, den Hund sicher und respektvoll zu führen, sodass Sie gemeinsam eine harmonische Bindung aufbauen können.
Nutzen Sie die doppelte Sicherung auch im Urlaub mit Ihrem Hund, falls er sich in der fremden Umgebung unsicher fühlen sollte.
So lernt Ihr Hund die Leine kennen
Für viele von uns sind das An- und Ableinen unserer Hunde alltägliche Handlungen, die wir kaum hinterfragen. Unsere gut sozialisierten Hunde betrachten uns in der Regel freundlich und verzeihen uns mühelos, wenn wir ihnen versehentlich den Karabiner an die Nase stoßen oder uns umständlich über sie beugen, um das Geschirr anzulegen. Auch wenn wir ungeschickt sind, während wir ihnen das Halsband umlegen, nehmen sie es uns nicht übel. Doch in der Hunde-Kommunikation sind solche Vorgehensweisen eigentlich No-Gos.
Ein Hund, der nicht an den Umgang mit Menschen gewöhnt ist, wird unsere direkte Frontalhaltung, das direkte Ansehen und leichtes Vornüberbeugen höchstwahrscheinlich als bedrohliches Verhalten wahrnehmen. Für sie kann dies eine Herausforderung darstellen und ihnen Unbehagen bereiten. Das gilt unter anderem oder auch ganz besonders für Hunde aus dem Tierschutz, die in ihrem Leben gar keine oder gar schlechte Erfahrungen mit dem Menschen gemacht haben.
Haben Sie es mit einem ängstlichen oder unsicheren Vierbeiner zu tun, ist es von großer Bedeutung, sich Ihrer Körperhaltung und Gesten bewusst zu sein. Schon eine ausgestreckte Hand kann für ängstliche Hunde zu viel sein. Wenn Sie sich über den Hund beugen oder frontal auf ihn zugehen und ihn dabei direkt ansehen, könnte er dies als bedrohlich empfinden. Für Hunde, die von Natur aus oder aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen kein Vertrauen in Menschen haben, ist es unerlässlich, ihnen behutsam und höflich zu zeigen, dass Ihre Absichten friedlich sind, wenn Sie mit ihnen umgehen. Zeigen Sie dem Hund mit Respekt und Bedacht, dass Sie keine bösen Absichten hegen.
Die Leine „schmackhaft“ machen
Zeigen Sie Ihrem Vierbeiner in einer entspannten und gelassenen Art die Leine und machen Sie sie mit ein paar Leckerbissen attraktiv für ihn. Vermeiden Sie es, sich über ihn zu beugen oder von hinten auf ihn zuzugehen. Diese Gesten können bei einem ängstlichen Hund Panik auslösen, da er sich möglicherweise überrumpelt fühlt.
Stattdessen stellen Sie sich seitlich vor ihn, wie es gut erzogene Hunde tun. Führen Sie Ihre Hand ruhig und fokussiert, aber nicht zu langsam oder in Zeitlupe – Hunde könnten dies als äußerst verdächtig wahrnehmen. Möglicherweise benötigen Sie anderes Zubehör, wie ein leicht verschließbares Geschirr, um den Anleinvorgang angenehmer für Ihren Hund zu gestalten. So schaffen Sie eine positive Erfahrung und bauen das Vertrauen Ihres Hundes beim Anleinen auf.
So sieht die Übung aus:
Es ist wichtig, bei dieser Übung eine ruhige Herangehensweise zu wählen und sich seitlich Ihrem Hund zu nähern, ohne hektische Bewegungen zu machen. Präsentieren Sie Ihrem Hund die Leine und den Karabiner und belohnen Sie ihn mit einem Leckerchen. Nachdem er das Leckerchen gekaut und geschluckt hat, entfernen Sie die Leine wieder. Zeigen Sie ihm die Leine noch einmal und belohnen Sie ihn erneut. Wiederholen Sie diesen Schritt mehrmals, damit Ihr Hund versteht, dass die Leine mit köstlichen Leckerbissen verknüpft ist.
Sobald Ihr Hund die Leine nicht mehr skeptisch beobachtet, gehen Sie vorsichtig weiter vor. Zeigen Sie Ihrem Hund die Leine und den Karabiner, belohnen Sie ihn mit einem Leckerchen und führen Sie den Karabiner auf einer Ebene, die sich in der Höhe seiner Ohren befindet, etwas nach hinten. Führen Sie diese Schritte ruhig und sicher aus, während Sie Ihre Hand langsam weiter nach hinten bewegen, bis Sie schließlich die Schultern erreichen und dann noch ein paar Zentimeter weiter gehen. Wiederholen Sie dies mehrmals, immer begleitet von der Leine vor seiner Nase, dem Leckerchen und der ruhigen Bewegung nach hinten, bis Sie schließlich das Geschirr erreichen. Feiern Sie diesen Fortschritt leise und unaufgeregt, um Ihren Hund nicht zu verunsichern, nachdem er so großartig mitgemacht hat.
Unsere Hunde sind Individuen. Zeigt Ihr Vierbeiner starkes Meideverhalten, benötigt er möglicherweise einige Tage mit geduldigen Wiederholungen und einigen Stunden Pause zwischen den Übungssequenzen. Andere Hunde hingegen sind bereits nach einer Viertelstunde dazu bereit, die Leine zu akzeptieren.
Ruhiges Ableinen
Wenn Sie Ihren Hund ableinen möchten, sprechen Sie ihn kurz und ruhig an und nutzen Sie gern ein Hörsignal dazu, zum Beispiel “Ableinen!” So überrumpeln Sie ihn nicht. Zeigen Sie ihm dann Ihre leere Hand und führen Sie sie behutsam an seinem Sichtfeld vorbei, um den Karabiner zu lösen.
Nach dem erfolgreichen Ableinen belohnen Sie Ihren Vierbeiner großzügig mit einigen Leckerbissen, und zwar bitte so lange, bis er definitiv keine Belohnung mehr benötigt. Auf diese Weise wird Ihr Hund das Ableinen positiv verknüpfen und gerne in Ihrer Nähe bleiben, auch ohne Leine. Diese Methode stärkt die Verbindung zu Ihrem Hund und fördert ein Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen beiden.
Der Spaziergang an der Leine
Sind Sie im Besitz eines Gartens? Dann üben Sie mit Ihrem kleinen Angsthasen am besten zunächst dort. Haben Sie keinen Garten, wie sieht es in Ihrer Umgebung aus? Gibt es eine ruhige Seitenstraße? Einen Feldweg? Muten Sie Ihrer Fellnase bitte nicht mehr zu, als sie in der ersten Zeit bewältigen kann.
Planen Sie zunächst eine sehr kurze Strecke. 30 bis maximal 50 Meter hin und zurück sind am Anfang völlig ausreichend.
So sieht die Übung aus:
Sichern Sie Ihren Hund unbedingt doppelt, auch wenn Sie nur im eigenen Garten üben. So kann Ihr Vierbeiner sich ganz entspannt in sicherer Umgebung an das Equipment gewöhnen.
Befestigen Sie die Leine des Geschirrs an Ihrem Bauchgurt und nehmen Sie die Führleine am Halsband in die Hand, zusammen mit ein paar Leckerbissen. Mit einer fröhlichen und dennoch ruhigen Stimme sagen Sie “Weiter!” und beginnen langsam zu gehen. Falls Ihr Hund sich ins Geschirr hängt und widerwillig ist, geben Sie mit den Leinen leicht nach, damit er nicht das Gefühl hat, festgehalten zu werden. Wenn er dann zögerlich stehen bleibt, ermutigen Sie ihn erneut mit einem fröhlichen “Weiter!”, um ihn dazu zu bewegen, Ihnen zu folgen.
Wenn Ihr Hund mit Ihnen geht, belohnen Sie ihn nach ein paar Metern mit einem Leckerchen. Falls er sich ängstlich am Zaun oder an der Hauswand entlangdrückt, werden Sie langsamer, um ihm die Möglichkeit zu geben, Sie anzusehen. In dieser Situation können Sie ihm ein Leckerchen anbieten, aber es könnte sein, dass er vor lauter Stress nicht in der Lage ist, es anzunehmen.
Achten Sie sorgfältig darauf, ob Ihr Hund entspannt bleibt oder zumindest eine gleichbleibende Anspannung zeigt. Sprechen Sie mit guter Laune und sagen Sie ihm, wie toll Sie ihn finden. Falls Sie bemerken, dass er zunehmend nervös wird, drehen Sie um und gehen zurück nach Hause. Währenddessen unterhalten Sie sich weiterhin fröhlich mit ihm. Loben Sie ihn ausgiebig und sagen Sie ihm, was für ein bemerkenswert tapferes Wesen er ist.
Lassen Sie Ihrem Vierbeiner einen Tag Zeit, damit er das neu Erlernte sacken lassen kann. Gehen Sie bei der nächsten Übungssequenz dieselbe Strecke und versuchen Sie, sie um ein paar Meter zu verlängern. Spüren Sie bei Ihrem Hund Anspannung, drehen Sie wieder um. Wichtig ist, dass Sie in Ihrer Vorbildfunktion stets ruhig und gelassen bleiben.
Ist Ihr Hund noch ein Welpe? Viele hilfreiche Tipps für Sie und Ihr Hundekind finden Sie in unserem Artikel „Spielerisches Leinentraining mit Welpen“.
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Euer 4Pfoten-Urlaub-Team