Medical Training – Teil I
Der Begriff „Medical Training“ ist vor allem im Bereich Haustier noch relativ neu, doch dahinter verbirgt sich etwas relativ Einfaches: Der Hund wird darauf vorbereitet, beim Tierarztbesuch, beim Hundefriseur und bei der Pflege zu Hause entspannt zu bleiben, die Situationen stressfrei zu erleben und vielleicht sogar zu genießen!
Da das Thema insgesamt sehr umfangreich ist, haben wir eine kleine Artikelserie dazu erstellt. In diesem ersten Teil geht es darum, Ihnen eine Vorstellung darüber zu vermitteln, was mit dem Medical Training für Sie und Ihren Vierbeiner erreicht werden soll und kann.
Barney und sein Besuch beim Tierarzt
Terriermischling Barney hat die Schnauze voll. Der Tierarztbesuch heute früh war für ihn von Anfang bis Ende Stress pur, daran hat auch das später überreichte Belohnungsleckerchen fürs Artigsein nichts geändert.
Als sein Herrchen das Auto auf dem Parkplatz der Tierarztpraxis abstellte, wurde ihm bereits mulmig. Er ahnte, was gleich auf ihn zukommen würde. Schon der Geruch, der ihn nach dem Öffnen der Praxistür entgegenschlug, versetzte ihn in massive Unruhe. Im kleinen Wartebereich saßen bereits mehrere andere Menschen mit ihren Hunden, Katzen, Kaninchen… Barney war nicht ohne Grund beim Tierarzt, und wegen seines Unwohlseins hätte er sich lieber irgendwo verkrochen und auf Kontakte welcher Art auch immer völlig verzichtet. Dann hörte er auch noch das Fiepen eines Artgenossen aus einem der Behandlungsräume. Barney klemmte seine Rute ein und sich selbst zwischen die Beine seines Herrchens.
Im Behandlungsraum sind die Gerüche nach Reinigungs- und Lösungsmitteln noch viel stärker als in den anderen Praxisbereichen – und nachdem die Frau im weißen Kittel kurz mit Herrchen gesprochen hat, sahen plötzlich alle ihn, Barney, an. Im nächsten Moment wurde er ohne Federlesen auf den Behandlungstisch gesetzt. Weglaufen war unmöglich, Herrchen passte auf und hielt ihn fest. Das beruhigende Gerede der Menschen hörte Barney kaum, er war inzwischen steif vor Angst.
Dann kam diese Frau auf ihn zu, fasste ihn überall an, streckte seine Beinchen aus, holte beängstigende Geräte heran, mit denen sie seine Augen und Ohren checkte, öffnete sein Maul… Barney knurrte vor Angst und Unbehagen und erhielt eine Ansage vom Herrchen. Dann wurde noch eine Blutprobe entnommen und eine Spritze verabreicht. Der Behandlungstisch fuhr nach unten, Barney hatte es geschafft.
Doch Angst und Stress saßen tief. Barney verweigerte sogar das Leckerchen, das die Frau im weißen Kittel ihm reichte.
Warum Medical Training sinn- und hilfreich ist
Leider können wir unseren Hunden mit Worten nicht erklären, was gleich beim Tierarzt mit ihm geschehen wird und welchen Sinn die Behandlung hat. Die meisten Hunde haben schlicht Angst vor dem Ungewissen; manche Besuche sind durchaus mit Schmerzen verbunden und in vielen Fällen mit sehr viel Stress.
Doch wir können unsere Vierbeiner gezielt auf diese Situationen vorbereiten. So werden Besuche beim Tierarzt oder auch beim Hundefriseur in gewissem Maß vorhersehbar, was dem Hund wiederum Sicherheit vermittelt. Er lernt, auch dann möglichst gut stillzuhalten, wenn es unangenehm wird. So fällt der Stressfaktor „Festhalten wider Willen“ bereits zu einem großen Teil weg.
Die Vorteile des Medical Training
- Unerwünschtem Verhalten wie Knurren oder Schnappen wird vorgebeugt.
- Das Vertrauen des Hundes zu seinem Menschen während der Behandlung wächst.
- Der Hund kann vom Tierarzt in Ruhe untersucht werden. Schmerzen werden präziser lokalisiert, Atmung und Herzschlag des Vierbeiners sind ruhiger und ermöglichen dem Tierarzt bessere Diagnosen.
- Gar nicht so selten kann dem Hund sogar eine Narkose erspart werden.
- Erlernte Hilflosigkeit – vergleichbar mit einem depressiven Zustand – wird vermieden.
Für welchen Hund eignet sich Medical Training?
Grundsätzlich hat nicht jeder Vierbeiner in gleichem Maß ein Medical Training nötig. Manche Hunde haben überhaupt keine Probleme damit, mit den Behandlungen von Tierarzt und Friseur oder den Pflegemaßnahmen zu Hause zurechtzukommen.
Die griechische Bracke meiner Bekannten hat von Anfang an so viele positive Erfahrungen bei „ihrem“ Doktor gemacht, dass sie vor Freude springt, wenn sie ihn endlich einmal wiedersieht. Und er darf alles mit ihr machen – vom Impfen über Krallenschneiden bis zur Ohrenreinigung bleibt sie völlig entspannt.
Doch dann gibt es eben die Hunde, die diese Situationen als stressig empfinden – in unterschiedlicher Ausprägung. Und sie zeigen schnell sogenanntes unerwünschtes Verhalten. Die typischen Verhaltensweisen eines Hundes in Konflikt- oder allgemein bedrohlichen Situationen sind
– Flight (Flucht)
– Fight (Kampf)
– Freeze (Einfrieren)
– Flirt oder Fiddle about (übertriebenes Verhalten, das nicht zur Situation passt)
Im nächsten Artikel unserer Mini-Serie geben wir Ihnen viel Input und Hintergrundwissen zum Thema Medical Training, damit Sie Fehler und Fallstricke während des Trainings bestmöglich vermeiden können.
Wir hoffen, euch hat unser Blogartikel gefallen! Bei Ideen, Anregungen oder Korrekturwünschen bitten wir um einen Kommentar 🙂
Euer 4Pfoten-Urlaub-Team