Nehmen Sie Ihrem Hund die Angst – mit Hilfe systematischer Desensibilisierung
Angst kann unsere Lebensqualität stark negativ beeinflussen. Sie schränkt unseren Handlungsspielraum zum Teil massiv ein, wirkt sich negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus und kann sogar chronisch krank machen. Das ist nicht nur bei uns Menschen so, sondern auch bei unseren Hunden. Die Gründe für ihre Ängste sind vielfältig und reichen vom Gewitter und Feuerwerk über Staubsauger und schreiende Kinder bis hin zum Martinshorn eines vorbeifahrenden Krankenwagens.
Ist die Ursache für die Angst unseres Vierbeiners bekannt, können Sie als Halter etwas dagegen unternehmen und Ihrer Fellnase damit ein große Erleichterung verschaffen. Die Methode nennt sich „systematische Desensibilisierung“. In diesem Artikel erklären wir Ihnen, was genau sich dahinter verbirgt.
Übrigens: Bei Katzen wirkt die Desensibilisierung genauso!
Systematische Desensibilisierung – was genau ist das?
Bei der systematischen Desensibilisierung geht es darum, dem Hund auf sanfte Art und Weise seine wiederkehrende Angst zu nehmen. Die Grundidee dabei ist, ihn in kleinen Schritten an den Auslöser seiner Angst heranzuführen, damit er sich langsam daran gewöhnt. Auslöser können beispielsweise sein: Gegenstände, Bewegungen, Geräusche, Menschen, andere Hunde etc. Voraussetzung bei dieser Methode ist das Wissen darüber, was genau die Angst verursacht.
Die Konfrontation mit dem Angstauslöser wird nach und nach gesteigert, bis der Vierbeiner in der Lage ist, souverän damit umzugehen oder den Auslöser sogar zu ignorieren. Ideal ist die parallel ablaufende Gegenkonditionierung: Der Reiz, der ursprünglich Angst ausgelöst hat, wird mit etwas Positivem verknüpft; die Angst selbst wird durch ein angenehmes Gefühl wie Freude, Entspannung etc. ersetzt.
Desensibilisierung: Ein langer Weg in ein Leben ohne Angst
Die Methode der systematischen Desensibilisierung benötigt oft Wochen oder sogar Monate. Das Ziel besteht ja darin, dass der Reiz keine Angst mehr auslöst, und das ist keinesfalls in wenigen Tagen zu erreichen. Ein Hundehalter, der seinem Vierbeiner die Angst nehmen möchte, benötigt also jede Menge Zeit sowie ein sehr hohes Maß an Geduld, Verständnis und Ausdauer. Genervte Ungeduld mit dem Hund, der „sich einfach nicht überzeugen lässt“, ist absolut kontraproduktiv.
Suchen Sie sich am besten professionelle Unterstützung, zum Beispiel durch einen auf systematische Desensibilisierung spezialisierten Hundetrainer oder einen kompetenten Tierpsychologen, der weiß, worauf es ankommt: auf die richtige „Dosis“ und auf ein sensibles Handling.
Fortschritte und Etappenziele sollten keinesfalls zu schnell angestrebt werden, damit es weder Rückschläge noch mentale Blockaden gibt.
Die Basis der systematischen Desensibilisierung: die klassische Konditionierung
Das wohl berühmteste Beispiel der klassischen Konditionierung ist das Experiment des russischen Physiologen Iwan Pawlow und seinem „Pawlowschen Hund“. Er verband das Geben von Futter mit einem Glockenton und beobachtete schon nach kurzer Zeit beim Hund einen Speichelfluss, auch wenn nur der Glockenton zu hören war.
Ein anderes Beispiel: Sie nehmen die Hundeleine vom Haken. Ihr Vierbeiner weiß längst, dass dies das Zeichen dafür ist, dass es gleich gemeinsam zu tollen Abenteuern hinausgeht – weil Sie ihn über einen langen Zeitraum darauf konditioniert haben.
Auslöser: Sie nehmen die Leine vom Haken.
Folge: Es geht nach draußen.
Oder noch einmal anders ausgedrückt:
Neutraler Reiz (Leine vom Haken nehmen) + unkonditionierter Reiz (Spaziergang) = konditionierte Reaktion (herankommen und sich freuen)
Wissen Sie, welcher Auslöser die Angst bei Ihrem Hund auslöst? Dann können Sie ihn langsam auf eine abweichende, positive Reaktion konditionieren.
Dazu reduzieren Sie den Auslöser auf ein absolutes Mindestmaß, so dass Ihr Hund überhaupt noch nicht reagiert, verknüpfen den Reiz des Auslösers mit etwas Positivem und steigern dann langsam die Intensität, die Nähe, die Lautstärke – je nachdem, um welche Art von Auslöser es sich handelt.
Systematische Desensibilierung ist Verhaltenstherapie
Desensibilisierung und Gegenkonditionierung gehen bei dieser Methode Hand in Hand:
Bei der Densibilisierung wird eine schrittweise Annäherung an den Angstauslöser trainiert, und zwar in so kleinen Schritten, dass die gewohnte (unerwünschte) Reaktion nicht erfolgt.
Bei der Gegenkonditionierung bringt man den Auslöser mit etwas Positivem in Verbindung, das der Hund gern hat – zum Beispiel ein Leckerchen oder ein Spielzeug. Die Dauer des Trainings hängt davon ab, wann der Hund eine Verbindung zwischen Auslöser und positiver Verstärkung hergestellt hat. Das Ziel ist es, dass der Vierbeiner sich gut fühlt, anstatt Angst zu haben.
Ob eine Desensibilierung und Gegenkonditionierung im Einzelfall überhaupt sinnvoll ist, hängt von den folgenden drei Voraussetzungen ab:
- Der Auslöser bzw. der Reiz muss beim Hund eine Reaktion zur Folge haben.
- Der Trainer ist firm in den Lerntheorien „klassische und operante Konditionierung“.
- Das Problem muss messbar gemacht werden können, die Aspekte des Problems müssen registriert werden können: Auslöser – Verhalten – Folge.
Die Verhaltenstherapie zur systematischen Desensibilisierung besteht aus folgenden Schritten:
- Analyisieren Sie konkret das Verhalten Ihres Hundes.
- Bestimmen Sie die einzelnen Lernabschnitte. Von einem Training „aus dem Bauch heraus“ ist unbedingt abzuraten – erstellen Sie einen Plan!
- Führen Sie das Training zur Desensibilisierung in kleinen Schritten durch.
- Steigern Sie den Auslöser, trainieren Sie damit die Belastung des neuen Verhaltens.
- Wiederholen und trainieren Sie immer und immer wieder. Hören Sie nicht auf, auch wenn Sie der Meinung sind, dass der Auslöser keine Angst mehr hervorruft.
Halbwissen zum Thema „Desensibilisierung und Gegenkonditionierung“ ist gefährlich. Nehmen Sie die professionelle Unterstützung eines Hundetrainers oder Verhaltenstherapeuten in Anspruch. Erstellen Sie einen realistisch umsetzbaren und dennoch flexiblen Plan – Rückschritte und längere Stopps auf einem Lernplateau sind normal und gehören zum Prozess dazu.
Haben Sie sich entschieden, Ihrem Hund seine Angst zu nehmen, gibt es kein Zurück – ziehen Sie es durch bis zum Schluss, und hören Sie selbst dann nicht auf, das Gelernte immer wieder zu trainieren und das erwünschte, positive Verhalten Ihres Vierbeiners zu festigen.
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Euer 4Pfoten-Urlaub-Team