Der Auslandstierschutz und warum er so viele Menschen bewegt
Erinnern Sie sich an Konya, dem Griechischen Bracken-Mix meiner Bekannten Heike? Konya wird im März 2021 schon drei Jahre alt, und Heike sagte mehr als einmal zu mir, dass sie diese wunderbare Hündin auch unter den widrigsten Umständen nicht mehr hergeben würde. Aber sie erinnert sich auch mit etwas bitterem Lächeln an eine Aussage einer Hundehalterin aus ihrer Straße. Diese hatte sich kurz nacheinander zwei wunderschöne Irische Wolfshund-Rüden gekauft. Eine speziell gebuchte Trainerin sorgte dafür, dass die Tiere, die bis zu 95 Zentimeter groß (Schulterhöhe) und 70 Kilogramm schwer werden können, handhabbar wurden.
Heike sah den charakterlichen Unterschied zwischen ihrer quirligen Bracke und den sanften Riesen sofort, reagierte aber mit viel Humor darauf. Konya erhielt von ihr zusätzliche Namen wie „griechischer Blitz“, „Knallfrosch“ und „wilde Maus“. Nur mit einer Unart kam Heike zunächst gar nicht zurecht: Konya fraß alles, was sie auf und an der Straße finden konnte! Und das, obwohl sie im Shelter geboren wurde und das Straßenleben gar nicht kannte. Was, wenn die junge Hündin einen Giftköder erwischen würde?
Bei einem zufälligen Treffen mit dem Wolfshund-Frauchen erzählte Heike von ihrer Sorge. Und war über die herablassende Reaktion sehr erschüttert: „Ja, nun, Straßenhund halt, nicht wahr?“
Erstens stimmte es nicht, und zweitens: Na und?
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Was ist eigentlich ein Straßenhund?
Hier in Deutschland ist es allgemein üblich, dass die Tiere im Tierheim ein relativ (!) angenehmes Leben führen können. Sie haben in der Regel unbegrenzt Zeit, um ein neues Zuhause zu finden. Und wenn sie keines finden, ist das für die Tiere zwar nicht wirklich schön, aber sie haben auch nichts weiter zu befürchten.
In vielen anderen Ländern Europas ist es dagegen üblich, dass Straßenhunde und Tierheimhunde (und Katzen) nach einer gewissen Frist eingeschläfert oder – noch schlimmer! – vergast werden. Diese Frist ist sehr, sehr kurz und beträgt bestenfalls sechs Monate, schlimmstenfalls wenige Tage. Zu den Ländern, die so verfahren, zählen Griechenland, Rumänien, Italien, Spanien und viele mehr.
Straßenhunde sind in unserem „aufgeräumten“ Land so gut wie unbekannt, und viele Menschen hierzulande können sich die Umstände, unter denen diese Tiere leben, kaum vorstellen. Straßenhund ist auch nicht gleich Straßenhund, wie wir gleich sehen werden.
Die unterschiedlichen „Varianten“ von Straßenhunden
Trainer und Trainerinnen in Hundeschulen berichten, dass die Halter von Hunden aus dem Auslandstierschutz ratlos auf ihre neuen vierbeinigen Familienmitglieder schauen. Die Tiere haben Probleme damit, sich an ihr neues Leben anzupassen. Und dies stößt nicht selten auf Missverständnisse. Ein besseres Verständnis dafür, wie Straßenhunde im Ausland gelebt haben, kann helfen, die auftretenden „Probleme“ besser zu lösen oder vielleicht erst gar nicht entstehen zu lassen.
Schauen wir uns die unterschiedlichen Straßenhunde also einmal genauer an:
– Hunde, die in der Stadt herumstreunen, leben hauptsächlich von Essensresten. Vor allem in touristischen Hochburgen trauen sich die hungernden Vierbeiner relativ nah an die Menschen heran. Es gibt einige richtig schlaue Hunde, die genau wissen, wie es sich besonders erfolgreich betteln lässt – indem sie beispielsweise humpeln oder zum Steinerweichen winseln.
– Hunde, die in ländlicher Umgebung leben, sind in erster Linie Jäger. Sie haben gelernt, Kaninchen oder Vögel zu erlegen und auf sich allein gestellt zu sein. In ihrem neuen Umfeld fällt es ihnen sehr schwer zu begreifen, warum sie nicht jagen dürfen. Viele dieser Hunde sehen auch keinen Nutzen darin, mit ihrem Halter zusammenzuarbeiten.
– Und dann sollte noch unterschieden werden, ob ein Hund ausgesetzt oder in freier Natur geboren wurde. Welpen, die in „freier Wildbahn“ zur Welt kommen, haben Elterntiere, die dem Menschen gegenüber bereits eine gewisse Scheu an den Tag legen und oft sogar sehr misstrauisch sind. Dieses Misstrauen geben sie an ihre Hundekinder weiter. Ausgesetzte Hunde wiederum haben möglicherweise schlechte, vielleicht aber auch gute Erfahrungen mit Menschen gemacht.
Zurückhaltende Hunde? Schwierige Hunde?
Stellen Sie sich vor, Sie leben im hohen Norden Deutschlands, ganz in der Nähe der ostfriesischen Nordseeküste. Die Gegend ist ländlich, Sie kennen die Eigenheiten der „kühlen Nordlichter“, und natürlich sprechen Sie fließend Plattdeutsch. Sicher hält das Leben hier auch seine Probleme bereit. Die Busse fahren nur alle zwei Stunden, und die nächste größere Stadt ist ziemlich weit entfernt. Aber das macht nichts. Sie sprechen die „Landessprache“ und müssen auch keine andere erlernen, um zurechtzukommen. Schließlich ist immer jemand da, dem Sie vertrauen und der Sie in seinem Auto mitnehmen kann.
Aber dann kommt plötzlich jemand vorbei, der Sie kommentarlos in eine Kiste setzt und diese in einen Transporter packt. Sie erhalten keine Erklärung darüber, was gerade passiert, und Sie reisen stundenlang in dieser Kiste quer durch die Weltgeschichte. Irgendwann schlafen Sie ein – was sollen Sie auch sonst schon tun?
Als Sie aufwachen, befinden Sie sich in einer engen Wohnung eines Hochhauses – in Peking. Sie verstehen die Menschen nicht, die bei Ihnen sind und in hohen Tönen ununterbrochen auf Sie einreden. Sie wissen nicht, was sie von Ihnen wollen, ob Sie ihnen vertrauen können oder besser sehr, sehr vorsichtig sein sollten. Der laute und hektische Stadtverkehr macht Ihnen Angst, und Sie können die Straßenschilder in chinesischen Schriftzeichen nicht entziffern. Selbst das Essen, das man Ihnen vorsetzt, ist Ihnen unbekannt. Vielleicht riecht es sogar seltsam, und Sie zögern zuzugreifen, obwohl der Magen bereits laut und vernehmlich knurrt.
Wie geht es Ihnen? Fühlen Sie sich unwohl? Haben Sie Angst? Sehnsucht nach dem, was bisher vertraut war, auch wenn es anstrengend und alles andere als sicher war? Dann können Sie sich jetzt ziemlich gut vorstellen, wie ein Straßenhund aus dem Ausland diesen Kontrollverlust erlebt. Ist er deshalb schwierig? Oder einfach nur sehr unsicher und zurückhaltend?
Bedenken Sie, dass Ihr neues vierbeiniges Familienmitglied nach seiner Ankunft erst einmal den Kulturschock überwinden muss. Er muss sichergehen, dass ihm in der neuen Umgebung nichts passiert, dass Sie auf ihn aufpassen werden.
Harte Arbeit, toller Lohn – Geduld zahlt sich aus!
Das Vertrauen Ihres „Straßenhundes“ müssen Sie sich hart erarbeiten. Und bei ängstlichen Hunden ist diese Herausforderung noch größer. Ist das Eis aber erst einmal gebrochen, haben Sie einen der treuesten, loyalsten Vierbeiner an Ihrer Seite, die man sich nur wünschen kann.
Darüber erfahren Sie mehr im nächsten Artikel.
Übrigens…
Konya hat das unkontrollierte Fressen draußen längst abgelegt. Nicht, weil sie plötzlich erwachsen und „vernünftig“ wurde, sondern weil Heike mit ihr konsequent ein Anti-Giftköder-Training durchgeführt hat.
Wir hoffen, euch hat unser Blogartikel gefallen! Bei Ideen, Anregungen oder Korrekturwünschen bitten wir um einen Kommentar 🙂
Euer 4Pfoten-Urlaub-Team
Moin
wer von Euch kennt mich? Ich hatte seit 30 Jahren Irish Wolfhounds, wohne in Ostfriesland,
spreche plattdeutsch und bekomme am Wochende meinen ersten Hund aus Rumänien.
Ich bin gespannt, wie diese Umstellung klappt.
Moin Elfi,
dann wünsche ich viel Spaß mit dem Neuankömmling aus Rumänien.
Wir haben im September einen kleinen Terriermischling aus dem ungarischen
Tierschutz bekommen. Wir sind sehr froh, den kleinen Kerl zu haben.